- Stickstoffverbindungen.
- Stickstoffverbindungen.Als Element der fünften Hauptgruppe liegt Stickstoff in seinen Verbindungen v. a. in den Wertigkeitsstufen — 3, + 3 und + 5 vor; er kann aber auch in allen anderen Wertigkeitsstufen zwischen — 3 und + 5 auftreten.Mit Wasserstoff bildet Stickstoff mehrere Verbindungen mit den allgemeinen Formeln NnH2n+2, NnHn und NnH2n—2, die nach der systematischen Nomenklatur als Azane, Azene und Azadiene bezeichnet werden. Technisch wichtige Stickstoff-Wasserstoff-Verbindungen sind Ammoniak (»Monoazan«), NH3, und Hydrazin (»Diazan«), N2H4, sowie im weiteren Sinn das (formal vom Ammoniak durch Ersatz eines Wasserstoffatoms durch eine Hydroxylgruppe abgeleitete) Hydroxylamin, NH2OH. Eine weitere Stickstoff-Wasserstoff-Verbindung ist die Stickstoffwasserstoffsäure (Azoimid), N3H, eine äußerst explosive, bei 37 ºC siedende, farblose, sehr giftige Flüssigkeit mit unangenehmem Geruch, die aus ihren Salzen, den Aziden, durch andere Säuren freigesetzt oder durch Umsetzen von Hydrazin, N2H4, mit salpetriger Säure, HNO2, hergestellt wird. Natriumazid, NaN3, erhält man durch Einwirkung von Distickstoffmonoxid, N2O, auf Natriumamid, NaNH2. Alle Azide zersetzen sich beim Erhitzen in die Elemente, einige Alkaliazide langsam, Schwermetallazide jedoch unter Detonation bei Schlag und Stoß (z. B. Bleiazid, Bleiverbindungen). Auch die organischen Azide, z. B. Methylazid, CH3N3, können äußerst heftig explodieren.Verbindungen des Stickstoffs mit Sauerstoff, Stickstoffoxide (Stickoxide), gibt es mehrere. Das Distickstoffoxid, Stickstoff(I)-oxid, Lachgas, N2O, ist ein farbloses, süßlich riechendes, praktisch ungiftiges Gas, das z. B. durch thermische Zersetzung von Ammoniumnitrat (NH4NO3 → N2O + 2 H2O) gewonnen werden kann; es gibt leicht Sauerstoff ab und unterhält die Verbrennung (entflammt z. B. ähnlich wie Sauerstoff einen glimmenden Holzspan). Beim Einatmen führt es zu narkotischen Zuständen; es dient deshalb in der Medizin (im Gemisch mit Sauerstoff) als Inhalationsnarkotikum (kommt verflüssigt in Stahlflaschen in den Handel). Daneben wird Distickstoffoxid auch als Treibgas für Sprays (u. a. im Lebensmittelsektor, z. B. für Schlagsahne) verwendet. - Stickstoffmonoxid, Stickstoff(II)-oxid, NO, ist ein farbloses, giftiges Gas, das sich in Wasser nur wenig löst; es liegt bei tiefen Temperaturen in Form dimerer Moleküle, d. h. als Distickstoffdioxid, N2O2, vor. Im Laboratorium kann Stickstoffmonoxid durch Reduktion verdünnter Salpetersäure mit Kupfer hergestellt werden. In technischem Maßstab wird es als Zwischenprodukt bei der Herstellung von Salpetersäure v. a. durch Ammoniakverbrennung gewonnen; außerdem entsteht es aus den Elementen, wenn Luft rasch durch starke elektrische Bogen- oder Funkenentladungen hindurchgeleitet wird (»Luftverbrennung«); durch die gleiche Reaktion wird von Gewitterblitzen stets etwas Stickstoff der Atmosphäre in Stickstoffverbindungen übergeführt. Im menschlichen und tierischen Organismus ist Stickstoffmonoxid ein vielfältig wirkender Botenstoff, der in einer großen Zahl von Zelltypen sowohl bei Wirbeltieren als auch bei Wirbellosen durch spezielle Enzyme (NO-Synthetasen) gebildet wird. Stickstoffmonoxid geht mit vielen Proteinen (v. a. Metalloproteinen) Wechselwirkungen ein, wodurch sich die biologische Aktivität dieser Proteine verändert; es dient als Neurotransmitter, Hormon und ist Teil von zellulären Signalwandlungssystemen. Aktivierte Makrophagen bilden große Mengen Stickstoffmonoxid, die toxisch für Bakterien und Tumorzellen sind. - Mit Sauerstoff (Luft) reagiert Stickstoffmonoxid äußerst rasch zu Stickstoffdioxid, Stickstoff(IV)-oxid, NO2, einem rotbraunen, giftigen, unangenehm riechenden Gas, das bei + 22 ºC in eine rotbraune, beim Abkühlen heller werdende Flüssigkeit und bei — 11 ºC in eine farblose, feste Substanz übergeht. Mit abnehmender Temperatur dimerisiert sich Stickstoffdioxid zu Distickstofftetroxid, N2O4 (bei 0 ºC liegen 100 %, bei 64 ºC noch 50 % als dimere Moleküle vor). Stickstoffdioxid spaltet leicht Sauerstoff ab und wirkt stark oxidierend; es wird in verflüssigter Form z. B. als Oxidator in Raketentreibstoffen verwendet. Technisch wird Stickstoffdioxid in großem Maßstab durch Reaktion von Stickstoffmonoxid mit Sauerstoff hergestellt und mit Wasser und Sauerstoff zu Salpetersäure umgesetzt. Stickstoffdioxid ist (neben anderen Stickstoffoxiden, besonders Stickstoffmonoxid) der Hauptbestandteil der sehr giftigen, gelben bis braunroten, aus roter rauchender Salpetersäure entweichenden Dämpfe, der nitrosen Gase, die auch überall dort entstehen, wo konzentrierte Salpetersäure auf organische oder anorganische Substanzen einwirkt. - Das Distickstofftrioxid, Distickstoff(III)-oxid, N2O3, ist eine nur bei tiefen Temperaturen beständige, tiefblaue flüssige Substanz. Es bildet mit Wasser salpetrige Säure und wird auch als deren Anhydrid bezeichnet. - Das Distickstoffpentoxid, Distickstoff(V)-oxid, N2O5, ist eine farblose, kristalline Substanz, die man durch Einwirkung von Phosphorpentoxid auf konzentrierte Salpetersäure erhält. Es bildet mit Wasser Salpetersäure zurück und ist als deren Anhydrid anzusehen.Toxikologische Bedeutunghaben, speziell unter den Aspekten der Luftverschmutzung, v. a. Stickstoffoxide, die in geringen Mengen überall dort entstehen, wo Verbrennungsvorgänge bei hohen Temperaturen und unter Sauerstoffüberschuss ablaufen, z. B. in konventionellen Kohlekraftwerken, in Kraftfahrzeugmotoren und Flugzeugtriebwerken, zum Teil auch in Haushaltsfeuerungsanlagen sowie in der chemischen Industrie. Sie sind u. a. in den Emissionen der Schornsteine von Kohlekraftwerken und in Autoabgasen enthalten und bestehen aus Gemischen der Stickstoffoxide (v. a. mit Stickstoffmonoxid, NO, und Stickstoffdioxid, NO2). Vereinfachend werden sie (wegen ihrer wechselnden Zusammensetzung) unter der allgemeinen Formel NOx zusammengefasst. Die Stickstoffoxide greifen die Schleimhäute der Atmungsorgane an und begünstigen Katarrhe und Infektionen; unter dem Einfluss von Sonnenlicht sind sie zusammen mit organischen Bestandteilen der Autoabgase an der Entwicklung des photochemischen Smogs beteiligt. Eine Verminderung der Emission von Stickstoffoxiden wird durch Rauchgasentstickung bei Feuerungsanlagen und durch Katalysatoren bei Autoabgasen erreicht. (Luftverschmutzung)Unter den Sauerstoffsäuren, die Stickstoff (in verschiedenen Wertigkeitsstufen) als Zentralatom enthalten, sind nur wenige Verbindungen zu nennen; die wichtigste aus dieser Reihe ist die Salpetersäure, Stickstoff(V)-säure, HNO3. Ihre Salze und Ester sind die Nitrate. - Die salpetrige Säure, Stickstoff(III)-säure, HNO2, entsteht bei der Reaktion von Distickstofftrioxid oder von Gemischen aus Stickstoffmonoxid und -dioxid mit Wasser; sie ist eine schwache, nur in verdünnten, wässrigen Lösungen beständige Säure und zerfällt leicht in Salpetersäure und Stickstoffmonoxid; ihre Salze und Ester, die Nitrite, sind bei gewöhnlicher Temperatur beständig, neigen aber beim Erwärmen zum Zerfall. Alkalinitrite werden durch Einleiten von Stickstoffmonoxid und -dioxid in Alkalilaugen hergestellt (wichtig ist z. B. das Natriumnitrit, NaNO2, Natriumverbindungen). Die salpetrige Säure und ihre Salze können reduzierend oder oxidierend wirken. - Stickstoff in niedriger Wertigkeitsstufe enthält die hyposalpetrige Säure, Stickstoff(I)-säure, H2N2O2; sie ist eine farblose, kristalline Substanz, die in trockenem Zustand leicht explodiert; auch ihre Salze, die Hyponitrite, sind sehr unbeständig.Mit Schwefel bildet Stickstoff mehrere, meist wenig stabile Verbindungen. Beispiele sind das Distickstoffdisulfid, Dischwefeldinitrid, N2S2, eine farblose, kristalline Substanz, die sich leicht unter Polymerisation zersetzt, und das Tetrastickstofftetrasulfid, Tetraschwefeltetranitrid, »Schwefelstickstoff«, N4S4, eine goldgelbe, kristalline Substanz, die durch Umsetzen von Schwefel mit Ammoniak entsteht und beim Erhitzen oder bei Stoß explosionsartig zerfällt.Mit den Halogenen bildet Stickstoff mehrere Reihen von Verbindungen mit den allgemeinen Formeln NX3, NHX2, NH2X, N2X4 und N3X (X = Halogen). Sie sind zum überwiegenden Teil gasförmige oder flüssige Substanzen, die sich sehr leicht, zum Teil unter Explosion, zersetzen. Ein Beispiel ist das Stickstofftrichlorid, Chlorstickstoff, NCl3 (Chlorverbindungen). Beständiger sind dagegen einige Fluorverbindungen, z. B. das Stickstofftrifluorid, NF3, ein farbloses Gas.Eine besondere Gruppe von Stickstoffverbindungen sind die von Stickstoff mit elektropositiven Elementen, v. a. mit Metallen, gebildeten Nitride. Einige dieser Verbindungen sind formal Abkömmlinge des Ammoniaks und bilden sich mehr oder weniger leicht aus den Elementen als »salzartige« feste Verbindungen, z. B. das braune Lithiumnitrid, Li3N, und das gelbgrüne Magnesiumnitrid, Mg3N2. Bei einer weiteren Gruppe der Nitride, den »diamantartigen« Nitriden, liegen kovalente Bindungen vor; sie sind, wie z. B. das Bornitrid (Borverbindungen) und das Siliciumnitrid (Siliciumverbindungen), wenig hydrolyseempfindlich und von großer Härte. Eine dritte Gruppe der Nitride, die »metallartigen« Nitride, sind legierungsartige Stoffe mit vorwiegend metallischer Bindung. Sie werden v. a. von den Übergangsmetallen, z. B. Eisen, Tantal, Titan, gebildet und weisen meist ebenfalls sehr hohe Härte auf.Kohlenstoffhaltige Stickstoffverbindungen sind im engeren Sinn die Cyanverbindungen und die Thiocyanverbindungen. Von den organischen Stickstoffverbindungen besitzen u. a. die Amine, die Azoverbindungen, die Nitrile und die Nitroverbindungen in der präparativen und in der technischen Chemie große Bedeutung.
Universal-Lexikon. 2012.